Im christlichen Erzählkreis ist die Schöpfungsgeschichte im Buch Genesis Grundlage allen Lebens und Seins. Mit den Worten „Am Anfang schuf Gott Himmel und Erde, die Erde aber war wüst und wirr, Finsternis lag über der Urflut und Gottes Geist schwebte über dem Wasser“ beginnt die Geschichte der Welt, und genau diese Anfangsthematik bestimmt den Eingangsraum der Kirche zum sel. Albrecht in Rif.
Dominik Halmer wählte für die Verbildlichung der Schöpfungsthematik eine wandfüllende All-Situation, die in der Interpretation ebenso viele Ansätze zulässt, wie sie das Wort „All (es)“ in sich birgt. Der Betrachter mag sich an kreisende Planeten erinnert fühlen, an die Sternenspur der Milchstraße oder auch an eine Supernova, bei der ein Stern mit einem enormen Energieausstoß explodiert, milliardenfach heller aufleuchtet als je zuvor und dann erlischt. Ebenso kann man an das grünliche Wasser einer Urflut denken, in deren Wellen ein frühzeitliches Schalentier zwischen weißen Schaumbläschen schwimmt. Beide Interpretationsansätze vereinen die unterschiedlichen Vorstellung von der Entstehung der Welt: Die Schilderung einer Urflut in der Schöpfungsgeschichte und die Idee von einem Urknall, die der Kosmologie des 20. Jahrhunderts und damit der modernen Wissenschaft entspringt. Damit werden sowohl der glaubende als auch der wissende Teil in uns angesprochen.
Die interpretatorische Freiheit, die Halmers Schöpfungsdarstellung bietet spiegelt nicht zuletzt den ausdrücklichen Wunsch wider, auch Besucher anzusprechen, die einen weniger starken Bezug zu christlichen Bildthemen haben. Das Ergebnis der Schöpfung präsentiert uns der Künstler mit einem Augenzwinkern in einer Kristallkugel direkt vor der Türe in den Hauptraum: Es ist die Rifer Kirche, die dem gewaltigen Energieausstoß in der Bildmitte entspringt.
Wer die Kirche durch diese Türe wieder verlässt, bemerkt an den erhabenen, plastischen Auflagen einen grünlich-glitzernden Schimmer aus Neonfarbe und Glanzpartikeln: Sie sollen dem Besucher einen Ausblick auf den himmlischen Glanz einer Welt hinter der unseren geben und ihn mit diesem Bild vor Augen in den Alltagsraum entlassen.
Dr. Maximiliane Buchner, Kunsthistorikerin
Seit den Anfängen des Christentums kommt dem Ort der Marienverehrung eine besondere Bedeutung zu, die sich nicht zuletzt aus den Ur-Kulturen bzw. den Muttergottheiten des Zweistromlandes weiterentwickelt hat. Bereits diese frühen „großen Mütter“ vereinten zwei Aspekte in sich: Einen irdischen, der den Kreislauf des Lebens, Geburt und Tod verkörpert, sowie die Vorstellung der Mutterfigur als eine himmlische, im Glanz der Gestirne erscheinende Königin. Die Vorstellung von einer Himmelskönigin vermittelt auch die christliche Quelle der Offenbarung des Johannes, die uns eine Frau, mit der Sonne bekleidet, von 12 Sternen bekrönt und auf einer Mondsichel stehend beschreibt. Sie bringt unter Schmerzen einen Sohn zur Welt und vereint damit beschriebenen himmlischen und irdischen Aspekt in sich. Die irdische Komponente wurde 431 im Konzil von Ephesos manifestiert, bei dem Maria als Gottesmutter, also menschliche Mutter eines Sohnes, der sowohl Gott als auch Mensch ist, definiert wird. Maria wird dabei eine Mittlerfunktion zwischen den Gläubigen und Christus, ihrem menschgewordenen Sohn, zugewiesen.
Die Kenntnis von dieser Mittlerfunktion ist der Schlüssel zum Verständnis des Marienbildes von Ria Patricia Röder, das in einer abstrakten Umsetzung tradierte Elemente der Marienikonographie verarbeitet. Maria erscheint buchstäblich aus dem Nichts: Ihr Bild entsteht aus der hölzernen Raumschale der Kirche und damit durch das Hinweglassen von Materialität. Das verwendete Farb- und Formenvokabular ist wiederum vertraut: Die blaue Hintergrundfarbe verweist auf die himmlischen Sphären des Jenseits, aus denen Maria herabschwebt sowie auf die Farbe ihres Mantels. Dies und ihre Haltung mit ausgestreckten Händen unter einem Umhang erinnert an den ikonographischen Typus der Schutzmantelmadonna.
Der Kranz aus Lichtpunkten, der Maria umgibt, lässt wiederum an eine Himmelskönigin im Glanz der Sterne denken, während sich die freundliche, Vertrauen gebende Geste auf den geschilderten mütterlichen Aspekt bezieht. Die materielle Erdverbundenheit des Bildes, die sich aus seinem Herausschneiden aus der hölzernen Raumhülle ergibt, setzt sich auch in kunsttopografischer Hinsicht fort: Der gewählte Marientypus mit zartem, jugendlichem Gesicht und anmutig geneigtem Kopf verweist auf den im Salzburger Land beheimateten Typus der so genannten „Schönen Madonna“, der sich hier an der Wende zum 15. Jhdt. entwickelte.
Die materielle Verbindung von Materie und Licht führt dazu, dass sich das Bild Mariens je nach Lichteinfall verändert: Untertags erscheint sie aus dem Licht, bei Dunkelheit hingegen entsteht ihr Bild inversiv aus schwarzen Punkten auf der hellen Holzschale. Darüber hinaus ändert sich ihre Erkennbarkeit je nach Helligkeitsgrad, sodass der Betrachter manchmal den Standpunkt wechseln, die Augen zusammenkneifen oder blinzeln muss, um die Muttergottes erkennen zu können. Mit anderen Worten: Er muss sich auf sie einlassen, damit sie erscheint.
Dr. Maximiliane Buchner, Kunsthistorikerin